Sonntag, 21. Februar 2016

The Magnificent Seven: Abney Park Cemetery


In London gibt es sieben Friedhöfe, die zwischen den Jahren 1832 und 1841 angelegt wurde und aufgrund ihrer Größe an Fläche und Grabmonumenten unter dem - inoffiziellen - Namen "The Magnificent Seven" zusammengefasst werden. Folgende Friedhöfe gehören dazu: Im Norden Highgate und Abney Park, im Westen Kensal Green und Brompton, im Süden West Norwood und Nunhead und im alten East End Tower Hamlets. Aufmerksam geworden bin ich auf diese Sehenswürdigkeiten abseits der typischen Touristenmagneten wie Tower, Tower Bridge, Westminster Palace und Buckingham Palace durch Zufall auf dem Weg zu einem Chelsea-Spiel im August 2014. Chelseas Stadion Stamford Bridge und der Brompton Cemetery sind nur durch Bahngleise getrennt.
Fertige Blog-Einträge gibt es bereits zum Brompton CemeteryKensal Green CemeteryTower Hamlets Cemetery und zum West Norwood Cemetery.




Der Abney Park Cemetery wurde 1840 eröffnet. Angelegt auf einem alten Landgut bot das große Areal viele Gestaltungsmöglichkeiten. Es handelt sich in Europa um das erste Arboretum, welches mit einem Friedhof kombiniert wurde. Der Friedhof wurde im Laufe seiner Existenz von zwei unterschiedlichen Gesellschaften betrieben. 1974 ging die Betreibergesellschaft bankrott, was dazu führte, dass 1979 der Friedhof für einen symbolischen £1 in den Besitz des London Borough of Hackney kam. Der Friedhof verfiel mehr und mehr. Der Abney Park Cemetery Trust pachtete den Friedhof und machte ihn zu einem Naturschutzgebiet, einem Lehrgelände und Erinnerungsgarten. Seit 1978 finden auf dem Friedhof ausschließlich Beerdigungen in Familiengräbern statt. Neue Gräber werden nicht mehr angelegt. Seit 15 Jahren ist der Friedhof ein Übungsbereich für Handwerksauszubildende verschiedener Gewerke.
Auf dem Friedhof wurden rund 200.000 Menschen auf einer Fläche von 12,5 Hektar beerdigt.




Heute ist der Friedhof ein Naturschutzgebiet, welches einer großen Vielzahl an Tieren ein Zuhause bietet. Bei dem Spaziergang über den Abney Park Cemetery fühlt man sich so fern von der Stadt und dem Lärm, der einen noch einige Minuten vorher auf der Stoke Newington High Street umgeben hat. Statt Bahnen hört man Vögel, statt Autos sieht man Eichhörnchen.





Auffallend ist das Denkmal für Isaac Watts. Watts lebte auf dem weitläufigen Anwesen von 'Gunston House'. Ein Teil des Areals wurde unter Anleitung von Lady Mary Abney im 18. Jahrhundert in einen Park umgestaltet - und wurde später Abney Park genannt. Diesen Park nutzte Watts als Inspiration für seine Werke. Auf dem nächsten Bild sieht man den Gedenkstein an dem Hügel, an dem Isaac Watts gerne gearbeitet haben soll. Der Ausblick muss in jedem Fall bei geringer ausgeprägter Vegetation inspirierend gewesen sein. Obwohl Watts auf dem Gelände von Abney Park starb, ist er dort nicht begraben - dafür hätte er 92 Jahre länger durchhalten müssen. Sir Isaac Watts ruht auf dem Bunhill Fields Friedhof in Islington - eröffnet im Jahr 1665, damit einer der ältesten erhaltenen Friedhöfe Londons, eines der wenigen Überreste aus der Zeit vor dem großen Brand von London und auch noch auf meiner Friedhofsbesuchs-To-Do-Liste. Watts hatte schnell Bekanntheit erlangt und war bereits im 18. Jahrhunder berühmt. Der englische Gelehrte, Literaturkritiker, Dichter, Essayist, Ethiker, Biograph und Lexikograph Samuel Johnson ist auf dem Fuß des 1845 auf dem Abney Park Cemetery errichteten Denkmals zitiert: "Few men have left behind such purity of character or such monuments of laborious piety, he has provided instruction for all ages from those who are lisping their first lessons to the enlightened readers of Malebranche and Locke. He has left neither corporeal nor spiritual nature unexamined. He has taught the art of reasoning and the science of stars. Such he was as every Christian Church would rejoice to have adopted."


Oben: Eine Plakette erinnert an den Hügel, auf dem Watts gesessen und gearbeitet haben soll.
Unten: Und im nächsten Bild der Blick von diesem Hügel aus.




Dieses Grab ist eine Besonderheit. Es ist das Grab eines Polizisten, der bei einem bewaffneten Raubüberfall in Tottenham starb. Dieser Überfall ist unter dem Namen "Tottenham Outrage" bekannt geworden. Die Anarchisten Paul Helfeld und Jacob Lepidus überfielen am 23. Januar 1909 den Besitzer der Schnurmann Gummifabrik, um die Wochenlöhne zu rauben. Dieser Raub ging schief und es kam zu einer Schießerei. Zwei Polizisten hörten die Schüsse und nahmen die Verfolgung auf. Zuerst starb ein 10-jähriges Kind an den Schüssen der Räuber. Kurz darauf verletzten sie den Police Constable William Frederick Tyler mit einem Kopfschuss tödlich. Er starb kurze Zeit später. Die Flucht ging in Richtung Nordost weiter. Die beiden Täter verließen ihr Gefährt am Fluss Ching. Lepidus kletterte über einen 6 Fuß hohen Zaun, was Helford nicht mehr gelang. Er versuchte sich mit einem Kopfschuss zu töten, was jedoch misslang: Er überlegte den Schuss in sein rechtes Auge. In Walthamstow kam es dann in einem Haus zum finalen Schusswechsel. Am Ende fühlte sich Lepidus so bedrängt, dass er sich selbst tötete. Es war ein Wunder, dass nur zwei Tote zu beklagen waren, wenn man bedenkt, dass die beiden Täter mit halbautomatischen Waffen operierten. Bei einer Operation starb Helford knapp drei Wochen später im Krankenhaus. Tyler ist dieses auffällige Monument gewidmet. Im Kreuz befindet sich seine Dienstnummer.


Wie auf zahlreichen anderen Friedhöfen befindet sich auch auf dem Abney Park Cemetery ein Gedenkort für die Kriegstoten des Commonwealth. Die Besonderheit ist bei diesem, dass unter dem Gedenkort die Katakomben des Friedhofes waren. Den Eingang der mittlerweile zugemauerten Katakomben sieht man noch heute an dem Bogen, der zwischen den beiden Treppenaufgängen sichtbar ist.

In der Mitte des Friedhofs steht die gotische Kapelle, mit ihrem rund 36 Meter hohen Turm. Leider ist sie über die Jahre verfallen. Derzeit kümmert sich ein Verein um Spendengelder, um die einsturzgefährdeten Teile der Kapelle zugänglich zu machen. Denn leider ist im Moment die Kapelle durch einen Bauzaun so gesichert, dass man sie nicht betreten kann.




Oben rechts: Gräber wie dieses finden wir an einigen Stellen auf diesem, aber auch auf anderen Friedhöfen. Es handelt sich um ein Grab für einen Armeeangehörigen, der im 1. Weltkrieg gestorben war.


Oben: Nicht sehr oft, aber doch auffallend genug finden sich Bienenstöcke auf den Grabmonumenten. Sie stehen für einen guten Charakter und hart arbeitende Menschen.



Oben links: Viele Friedhöfe sind von Engelsfiguren geprägt. An dieser Figur sieht man, dass diese auch oft Opfer von Vandalismus wurden und heute keine Flügel und Köpfe mehr aufweisen.
Oben rechts: Natur und Menschenhand werden gerade auf einem Friedhof eins. Hier wächst ein Baum aus einem Grab.



Wie kommt man zum Friedhof?
Mit Bus: 67, 76, 106, 149, 243, 476, N73
Mit Bahn: Stoke Newington Station (Overground Services zwischen Liverpool Street und Enfield Town/Cheshunt)

Sonntag, 3. Januar 2016

Putney Old Burial Ground


Durch Zufall bin ich online auf einen kleinen Friedhof in London gestoßen und habe mich dann entschieden, diesen im November 2015 bei meinem London-Aufenthalt zu besuchen. Er gehört nicht zu den Magnificent Seven und ist auch deutlich kleiner. Der Friedhof von Putney liegt auf der Südseite der Themse und im Bezirk Wandsworth (Karte bei Google Maps). Er wurde 1763 geweiht und ist nur 0,34 Hektar groß. Das Grundstück war das Geschenk eines Reverands Roger Pettiward an die Gemeinde. Der Friedhof der Gemeinde an der St. Mary's Church war heillos überfüllt.

Den Friedhof erreicht man sehr einfach mit der Bahn (Putney Station), mit der District Line (East Putney Underground Station) oder den Bussen 337 bzw. 430 (Putney Arts Theatre).
Wenn man am Friedhof ankommt, mag man etwas enttäuscht sein, denn es finden sich kaum noch Grabsteine oder Monumente. Jedoch ist dieser Friedhöfe einer der ältesten noch aufspürbaren Grabfeldern. Er war von 1763 bis 1854 in Benutzung. Bereits 1886 wurde er für die öffentliche Parknutzung hergerichtet. Angeblich wurden dafür die Monumente nicht angetastet. Wie er in diesen kargen Zustand gekommen ist, in dem wir ihn heutzutage vorfinden, konnte ich anhand der mir vorliegenden Unterlagen des Bezirks Wandsworth nicht herausfinden.
Derzeit ist die Fläche einfach ein kleiner Grünzug mit ein paar Grabmonumenten und vereinzelten Grabsteinen, der zum Picknicken und Ausruhen genutzt wird.


Dies ist das Grab von Robert Wood (1716/17-1771), Archäologe und Politiker. Als Archäologe erforschte er die Troas und die Stätten, die Homer in seiner Ilias besungen hatte. Er besichtigte, untersuchte und publizierte zudem über die römischen Stätten in Palmyra und Baalbek. Woods Forschungen und Publikationen gaben zahlreiche Inspirationen für die britische Architektur des 18. und 19. Jahrhunderts.



Für £ 43.000 wurden ab 2008 die erhaltenen Monumente restauriert.






Neben dem Friedhof ist übrigens diese schöne kongregationalistische Kirche, die 1860 erbaut und 1963 an die Stadtverwaltung übergeben wurde, da die Gemeinde sich aufgelöst hatte. In die Kirche ist nun seit 1968 das Putney Arts Theatre ansässig.