Samstag, 12. Dezember 2015

Barnes Old Cemetery


Durch Zufall bin ich online auf einen kleinen Friedhof in London gestoßen und habe mich dann entschieden, diesen im November 2015 bei meinem London-Aufenthalt zu besuchen. Er gehört nicht zu den Magnificent Seven und ist auch deutlich kleiner. Der Friedhof von Barnes liegt auf der Südseite der Themse und im Bezirk Richmond upon Thames (Karte bei Google Maps). Er wurde 1854 angelegt und ist nur 0,8 Hektar groß. Trotz der überschaubaren Größe ist es schwer bestimmte Gräber ausfindig zu machen, denn in vielen Teilen ist der Friedhof einfach nur zugewachsen und ungepflegt.  


Am besten erreicht man den Friedhof mit einer Busfahrt von der Hammersmith Tube Station. Dort fahren die Busse 33 und 72 in Richtung Süden ab. Dabei passiert man die wunderschöne Hammersmith Bridge und eine schöne Einfamilienhausgegend, ehe der Bus den alten Dorfkern von Barnes erreicht. Noch ein Stück weiter steigt man an der Bushaltestelle "Ranelagh Avenue" aus. Man steht nun vor einer großen Grünanlage, dem Barnes Common - Naturlandschaft, die knapp einen halben Quadratkilometer ausfüllt. Diese sehr ländliche Gegend ist erst seit 1965 Teil Londons. Davor lag Barnes im County of Surrey und hatte den Status eines "Urban District" bzw. ab 1932 eines "Municipal Borough".


Links oben: Dies ist ein Beispiel für ein Soldatengrab. Es ist auch in einem Verzeichnis gelistet, welches alle bekannten Gräber von Personen enthält, die im Kriegsdienst für den Commonwealth of Nations gestorben sind.


Der Friedhof war lange in Betrieb und verfügte über eine Kapelle und einem Häuschen für den Friedhofswärter. 1954 wurde er erst für Beisetzungen geschlossen. 1960 übernahm der Municipal Boroguh of Barnes die Verantwortung über das Gelände, 1965 kam es in die Hand des London Borough of Richmond upon Thames, dessen Bestandteil Barnes durch die Vergrößerung London geworden ist. Es gab Versuche den Friedhof abzuräumen und in eine grüne Wiese umzuwandeln, die in den Abriss der Kapelle und des Friedhofswärterhäuschens mündeten. Auch Einfriedung des Friedhofs wurde beseitigt. Die Umwandlungspläne wurden nach lokalen Protesten gestoppt. Jedoch begann der Friedhof zu verfallen. Die Gräber überwucherten und die wunderschönen Grabmonumente wurden beschädigt. Nahezu alle Engelsfiguren auf dem Friedhof wurden geköpft. 1980 wurde der Friedhof offiziel Bestandteil des Naturschutzgebiets Barnes Common. Heute versucht der Verein "Friends of Barnes Common" sein bestes, um den Friedhof sauber zu halten.  



Links oben: Das Grab eines jungen Mädchen, das mit nicht einmal 9 Jahren verstorben ist.
Rechts oben: Dies ist das etwas unscheinbare Familiengrab von Henry Attwell. Attwell war ein lokaler Lehrer, der in Barnes eine Schule aufmachte. In Leiden war Attwell als Lehrer des niederländisch-luxemburgischen Thronfolger Willem tätig, den er in englischer Sprache, Literatur und Geschichte unterrichtete. Attwell schrieb zahlreiche Bücher mit geographischen, ethnologischen, poetischen und philosophischen Einschlägen und dürfte als ein Universalgelehrter gelten.



Links oben: Wie ich bereits schrieb, wurden viele Figuren geköpft. Hier ist eindrucksvolles Beispiel dafür.
Rechts oben: Das Grabmal von Francis Turner Palgrave. Palgrave war Literaturkritiker, Florilege und Dichter. Er lebte von 1824 bis 1897. Palgrave dichtete selbst und versuchte sich auch als Dichtungstheoretiker.




Links oben: Das am besten erhaltene Grabmal auf dem Barnes Old Cemetery ist das der Familie Hedgman. William Hedgman war ein lokaler Mäzen in Barnes.
Rechts oben: Es ist wieder ein wunderschönes Grabmal, dem jedoch abermals der Kopf fehlt.



Auf dem Bild sieht man das Grab von Ebenezer Cobb Morley (1831-1924). Er gehört vielleicht nicht zu den bekanntesten Personen des Weltgeschehens, jedoch hat er vielen von uns etwas gebracht, was uns freut, in Atem hält, Emotionen hervorbringt, aber uns auch oftmals ärgert: den Fußball. Es ist wohl Morley zu verdanken, dass 1863 die Football Association gegründet wurde und von da an der Fußball seinen Siegeszug um den Globus antrat.


Auf diesem Friedhof ist auch das Opfer eines brutalen Mordes beigesetzt - bzw. Teile der Leiche. Denn das Opfer Julia Martha Thomas wurde von ihrer Haushälterin ermordet, zerteilt, abgekocht und in die Themse geworfen. Einige Überreste wurden geborgen und an einem unbekannten Punkt auf diesem Friedhof beigesetzt. Der Schädel wurde erst 2010 auf dem Grundstück des damaligen Mordes gefunden.



Nach diesem Friedhofsbesuch kann man entweder mit dem Bus weiterfahren zur Barnes Station, um dort einen Zug in Richtung London Waterloo zu nehmen, oder noch einen Spaziergang zum Bahnhof oder durch den Barnes Common nach Putney machen.

Freitag, 24. Juli 2015

The Magnificent Seven: West Norwood Cemetery


In London gibt es sieben Friedhöfe, die zwischen den Jahren 1832 und 1841 angelegt wurde und aufgrund ihrer Größe an Fläche und Grabmonumenten unter dem - inoffiziellen - Namen "The Magnificent Seven" zusammengefasst werden. Folgende Friedhöfe gehören dazu: Im Norden Highgate und Abney Park, im Westen Kensal Green und Brompton, im Süden West Norwood und Nunhead und im alten East End Tower Hamlets. Aufmerksam geworden bin ich auf diese Sehenswürdigkeiten abseits der typischen Touristenmagneten wie Tower, Tower Bridge, Westminster Palace und Buckingham Palace durch Zufall auf dem Weg zu einem Chelsea-Spiel im letzten August. Chelseas Stadion Stamford Bridge und der Brompton Cemetery sind nur durch Bahngleise getrennt.
Fertige Blog-Einträge gibt es bereits zum Brompton CemeteryKensal Green Cemetery und zum Tower Hamlets Cemetery.


Betritt man den Friedhof durch das gotische Tor, kommt man in eine sehr eigenwillige Welt, die sich weniger klar in Schubladen einreihen lässt als bei den bisher besuchten übrigen Friedhöfen der Magnificent Seven.


West Norwood ist der zweitälteste der Magnificent Seven. Er wurde 1836 eingerichtet und 1837 offiziell geweiht. Für das Eingangstor, einige Monumente und die Kapellen zeichnet der Architekt William Tite verantwortlich, der einige Bahnhöfe insbesondere in London und The Royal Exchange gestaltet hat. Er selbst wurde in den Katakomben des West Norwood Cemetery begraben.




Wenn man sich heute in der Gegend im Süden Londons aufhält, ist es unvorstellbar, dass sich bis zum Ende des 18. Jahrhunderts dort noch Eichenwälder fanden. Diese filen jedoch den Werften, allgemein für Baumaßnahmen und für das Heizen zum Opfer.


Was nicht für Seefahrt oder Industrie abgeholzt wurde, fiel spätestens dem victorianischen Bauboom zum Opfer. So sind abgesehen von einzelnen Eichen nur noch das Waldstück Dulwich Wood und Sydenham Hill Wood erhalten.



West Norwood verfügte - wie auch der Kensal Green Cemetery - ursprünglich über zwei Kapellen: Eine für anglikanische Tote, eine für Tote anderer Konfessionen. Im 2. Weltkrieg wurden die Kapellen des Friedhofs durch Luftangriffe massiv beschädigt. Die anglikanische Kapelle wurde dann sogar nicht wieder aufgebaut. An ihrer Stelle ist nun ein Erinnerungsgarten mit anonymen Bestattungen angelegt. Die Anlage vermittelt aber immer noch den Eindruck, dass dort mal ein Gebäude war. Dies gibt dem Garten auch noch eine besondere Ruhe.
Nach dem Krieg war die Friedhofsgesellschaft mit den vielen Aufgaben überfordert und konnte auch kaum die Kosten für die Wiederherstellung und Instandhaltung von Mausoleen und Grabmonumenten tragen. 1965 kam es zum Verkauf an den Bezirk Lambeth. Dies entschied sich dazu, dort weiter Beerdigungen stattfinden zu lassen und dafür Gräber glattzumachen. So kam es am Ende zur Einebnung von mindestens 10.000 Gräbern. Darunter befanden sich auch denkmalgeschützte Grabstellen. 



Dieser Prozess setzte sich bis in die 90er-Jahre des 20. Jahrhunderts fort. Nachdem verschiedene Seiten dagegen eingeschritten waren, wurde das Abräumen der Grabmäler gestoppt. Im Vergleich zu anderen Friedhöfen ist dieser abschnittsweise sehr leer, was auf diese Entwicklungen zurückzuführen ist.

Rechts über diesem Absatz ist das Grab von Sir Thomas Gabriel. Aus heutiger Sicht keine besonders herausragende Persönlichkeit. Jedoch war Gabriel jemand, der dafür steht, zu welchem Reichtum man kommen konnte. Als Holzhändler hat er eine Menge Geld verdient. zudem hat er den Londoner cursus honorum durchschritten: Zuerst kassierte er als Sheriff of the City of London Steuern ab (1859/60), dann war er Lord Mayor of London (1866/67).


Dies ist das Grab von Charles Spurgeon. Spurgeon (1834-1892) war ein Baptistenprediger, der im 19. Jahrhundert große Bekanntheit erlangt hatte. Auf seinem Anwesen stand übrigens eine Eiche, die die großen Fällungen des Great North Wood überlebt hatte. Unter dieser diskutierte er mit Studenten theologische Fragen.

Ein wenig Gefühl daran, wie mal diese Region bewaldet aussah, gibt folgendes Bild:


Allgemein ist festzustellen, dass auf dem West Norwood Cemetery - neben den vielen grünen Wiesen - eine große Vielfalt herrscht. Man findet letztlich alles von nicht zu wenig schlichten Grabsteinen, über aufwändige Monumente bis hin zu detailreich ausgearbeiteten Mausoleen.
So kann man auf den Friedhof, der mit einem Rundweg und darin eingelagerten gekreuzten Achsen klar gegliedert ist, erkunden und immer wieder etwas neues entdecken.
Die Kapellen waren/sind übrigens auf dem zentral gelegenen Hügel gebaut, so dass sie gewissermaßen die Skyline des Friedhofs dominieren. Die im Krieg nicht so stark beschädigte Dissenter's Chapel beherbergt übrigens seit 1915 auch das Krematorium des Friedhofs. Bei der Wiederherrichtung nach dem 2. Weltkrieg nahm man auch Modernisierungen am Krematorium vor.


Auffällig sind noch diese beiden Mausoleen. Das linke ist das von Henry Tate. Henry Tate (1819-1899) war Zuckermagnat. Bereits mit 35 Jahren hatte Tate sich eine Kette aus sechs eigenen Läden aufgebaut. Er kam im Laufe seines Lebens zu sehr viel Geld und investierte dies in Kunstwerke. 1889 schenkte er seine Kunstsammlung der britischen Regierung. Als Bedingung für diese Schenkung stellte er jedoch auf, dass die Kunstwerke in einer passenden Galerie der Öffentlichkeit präsentiert würden. Um dies zu realisieren steuerte er noch £ 80,000 bei. Dies sind heute übrigens rund £ 8,800,000 bzw. 12 Mio. €. Zuerst hieß diese Galerie The National Gallery of British Art, heute kennt man sie unter Tate Britain. Schon vor dieser Spende und auch danach noch zeichnete Tate sich durch große Spendenbereitschaft aus.
Das rechte ist für Henry Doulton (1820-1897) und seine Familie erbaut worden. Doulton war ein Keramikmagnat. Aus seinem Unternehmen stammen auch die Steine für das eigene Mausoleum.
Diese beiden auch denkmalgeschützten Mausoleen ragen durch ihre Terrakotta-Farbe heraus.

Ebenfalls eine Besonderheit ist nun in den folgenden vier Bildern dargestellt: Der griechische Teil des Friedhofs. Dieser wurde speziell für orthodoxe Griechen geweiht.


Ganz im Stil eines dorischen Tempels ist die St. Stephen's Chapel errichtet, deren Bau ca. 1873 wohl unter Leitung des Architekten John Oldrid Scott begonnen wurde. Auf Architrav steht eingraviert "σαλπισει σαλπιγξ και οι νεκροι εγερθήσονται" ("Die Fanfare wird erschallen und die Toten werden auferstehen.")


So genießen auch Mitglieder der griechischen Diaspora wie John Peter Ralli (links) und Xenophon Balli (rechts) heute noch ein sichtbares Andenken. Zumindest für die Ralli-Familie konnte ich noch einiges finden: Es handelt sich hierbei um eine reiche Händlerfamilie, die in mehreren Generationen Reichtum angehäuft hat und diesen aber auch einerseits für eine breitere medizinische Versorgung der Gesellschaft andererseits für Belange der griechischen Gemeinde in West Norwood ausgegeben hat. So haben auch die Söhne der Familie eigene Mausoleen. Hier links zu sehen ist ein von George Edmund Street gestaltetes Mausoleum. Von Street stammen übrigens auch die Gerichtshöfe in Zentral-London an der Strand.




Wie kommt man zum Friedhof?
Mit Bus: 2, 196, 315, 432, 468, X68, N2, N68
Mit Bahn: West Norwood Station (Southern Services von London Victoria nach London Bridge oder Sutton bzw. von London Bridge nach Beckenham Junction)

Dienstag, 7. Juli 2015

The Magnificent Seven: Tower Hamlets Cemetery



In London gibt es sieben Friedhöfe, die zwischen den Jahren 1832 und 1841 angelegt wurde und aufgrund ihrer Größe an Fläche und Grabmonumenten unter dem - inoffiziellen - Namen "The Magnificent Seven" zusammengefasst werden. Folgende Friedhöfe gehören dazu: Im Norden Highgate und Abney Park, im Westen Kensal Green und Brompton, im Süden West Norwood und Nunhead und im alten East End Tower Hamlets. Aufmerksam geworden bin ich auf diese Sehenswürdigkeiten abseits der typischen Touristenmagneten wie Tower, Tower Bridge, Westminster Palace und Buckingham Palace durch Zufall auf dem Weg zu einem Chelsea-Spiel im letzten August. Chelseas Stadion Stamford Bridge und der Brompton Cemetery sind nur durch Bahngleise getrennt.
Fertige Blog-Einträge gibt es bereits zum Brompton Cemetery und zum Kensal Green Cemetery.



Tower Hamlets ist der jüngste der Magnificent Seven und liegt im alten East End Londons. Er hat allerdings mit Abstand die meisten Beerdigungen von den Magnificent Seven (über 350.000).



Trotz der vielen beerdigten Menschen ist dieser Friedhof mit nur 11 Hektar flächenmäßig der kleinste der Magnificent Seven.





Der Friedhof in Tower Hamlets wurde 1841 eröffnet. Im Vergleich zu den bisher bereits behandelten Friedhöfen Brompton und Kensal Green, die vor allem durch ihre fein ausgearbeiteten Monumente und Mausoleen bestechen, ist dieser Friedhof bescheidener ausgestattet.





Dies zeigt sehr deutlich die frühere Sozialstruktur im Osten Londons. In Tower Hamlets finden wir einfache Grabstätten, die mehrfach belegt sind. Dokumentiert sind Gräber mit bis zu 30 Bestattungen übereinander.




Diese Praxis war besonders bei ärmeren Menschen, die sich keine eigene Grabstelle leisten konnten üblich.





Das Ende für Bestattungen auf diesem Friedhof kam 1966. Nach 125 Jahren als Friedhof kaufte das Greater London Council das Areal auf und begann mit der Neustrukturierung. Der Friedhof sollte nun zu einem Naherholungsort für die Region werden. So investierte man Geld um die Kapellen und einen Teil der Grabstellen zu beräumen.







Doch für die Beräumung gingen schnell sowohl Mittel als auch die öffentliche Zustimmung aus. 1986 übernahm der Bezirk Tower Hamlets das Areal, 2000 wurde es zu einem lokalen Naturschutzgebiet erklärt. 













Auf dem Friedhof sind 279 Soldaten aus Commonwealth-Staaten begraben, die in den Weltkriegen umgekommen sind. Gedacht wird ihrer mit einem Denkmal, an dem ihre Namen angebracht sind.










Wie man auf den Bildern sehen kann: Größere und detailreich ausgearbeitete Grabmonumente findet man hier selten.









Während der Friedhof früher inmitten eines dicht bebauten Gebietes lag, ist er heute mehr oder weniger Teil eines Grünzuges entlang des Regent's Canal, der aus Victoria Park im Norden, dem Millenium Park und dem Mile End Park im Süden besteht. Man kann also sehr gut dort viel Zeit verbringen und London aus einer anderen Perspektive und in einem anderen Sozialraum beobachten, als man es sonst tut. Also: Macht Euch doch einfach mal auf nach Mile End.



Wie kommt man zum Friedhof?
Mit Bus: 25, 205, 277, 323, 425, 741, D6, D7, N205
Mit Bahn: Mile End Underground Station (Central, Circle, District and Hammersmith & City Lines)
Mit Rad: Rund um den Friedhof sind auch einige Docking Stations des Santander Cycle Hire Scheme.