Freitag, 24. Juli 2015

The Magnificent Seven: West Norwood Cemetery


In London gibt es sieben Friedhöfe, die zwischen den Jahren 1832 und 1841 angelegt wurde und aufgrund ihrer Größe an Fläche und Grabmonumenten unter dem - inoffiziellen - Namen "The Magnificent Seven" zusammengefasst werden. Folgende Friedhöfe gehören dazu: Im Norden Highgate und Abney Park, im Westen Kensal Green und Brompton, im Süden West Norwood und Nunhead und im alten East End Tower Hamlets. Aufmerksam geworden bin ich auf diese Sehenswürdigkeiten abseits der typischen Touristenmagneten wie Tower, Tower Bridge, Westminster Palace und Buckingham Palace durch Zufall auf dem Weg zu einem Chelsea-Spiel im letzten August. Chelseas Stadion Stamford Bridge und der Brompton Cemetery sind nur durch Bahngleise getrennt.
Fertige Blog-Einträge gibt es bereits zum Brompton CemeteryKensal Green Cemetery und zum Tower Hamlets Cemetery.


Betritt man den Friedhof durch das gotische Tor, kommt man in eine sehr eigenwillige Welt, die sich weniger klar in Schubladen einreihen lässt als bei den bisher besuchten übrigen Friedhöfen der Magnificent Seven.


West Norwood ist der zweitälteste der Magnificent Seven. Er wurde 1836 eingerichtet und 1837 offiziell geweiht. Für das Eingangstor, einige Monumente und die Kapellen zeichnet der Architekt William Tite verantwortlich, der einige Bahnhöfe insbesondere in London und The Royal Exchange gestaltet hat. Er selbst wurde in den Katakomben des West Norwood Cemetery begraben.




Wenn man sich heute in der Gegend im Süden Londons aufhält, ist es unvorstellbar, dass sich bis zum Ende des 18. Jahrhunderts dort noch Eichenwälder fanden. Diese filen jedoch den Werften, allgemein für Baumaßnahmen und für das Heizen zum Opfer.


Was nicht für Seefahrt oder Industrie abgeholzt wurde, fiel spätestens dem victorianischen Bauboom zum Opfer. So sind abgesehen von einzelnen Eichen nur noch das Waldstück Dulwich Wood und Sydenham Hill Wood erhalten.



West Norwood verfügte - wie auch der Kensal Green Cemetery - ursprünglich über zwei Kapellen: Eine für anglikanische Tote, eine für Tote anderer Konfessionen. Im 2. Weltkrieg wurden die Kapellen des Friedhofs durch Luftangriffe massiv beschädigt. Die anglikanische Kapelle wurde dann sogar nicht wieder aufgebaut. An ihrer Stelle ist nun ein Erinnerungsgarten mit anonymen Bestattungen angelegt. Die Anlage vermittelt aber immer noch den Eindruck, dass dort mal ein Gebäude war. Dies gibt dem Garten auch noch eine besondere Ruhe.
Nach dem Krieg war die Friedhofsgesellschaft mit den vielen Aufgaben überfordert und konnte auch kaum die Kosten für die Wiederherstellung und Instandhaltung von Mausoleen und Grabmonumenten tragen. 1965 kam es zum Verkauf an den Bezirk Lambeth. Dies entschied sich dazu, dort weiter Beerdigungen stattfinden zu lassen und dafür Gräber glattzumachen. So kam es am Ende zur Einebnung von mindestens 10.000 Gräbern. Darunter befanden sich auch denkmalgeschützte Grabstellen. 



Dieser Prozess setzte sich bis in die 90er-Jahre des 20. Jahrhunderts fort. Nachdem verschiedene Seiten dagegen eingeschritten waren, wurde das Abräumen der Grabmäler gestoppt. Im Vergleich zu anderen Friedhöfen ist dieser abschnittsweise sehr leer, was auf diese Entwicklungen zurückzuführen ist.

Rechts über diesem Absatz ist das Grab von Sir Thomas Gabriel. Aus heutiger Sicht keine besonders herausragende Persönlichkeit. Jedoch war Gabriel jemand, der dafür steht, zu welchem Reichtum man kommen konnte. Als Holzhändler hat er eine Menge Geld verdient. zudem hat er den Londoner cursus honorum durchschritten: Zuerst kassierte er als Sheriff of the City of London Steuern ab (1859/60), dann war er Lord Mayor of London (1866/67).


Dies ist das Grab von Charles Spurgeon. Spurgeon (1834-1892) war ein Baptistenprediger, der im 19. Jahrhundert große Bekanntheit erlangt hatte. Auf seinem Anwesen stand übrigens eine Eiche, die die großen Fällungen des Great North Wood überlebt hatte. Unter dieser diskutierte er mit Studenten theologische Fragen.

Ein wenig Gefühl daran, wie mal diese Region bewaldet aussah, gibt folgendes Bild:


Allgemein ist festzustellen, dass auf dem West Norwood Cemetery - neben den vielen grünen Wiesen - eine große Vielfalt herrscht. Man findet letztlich alles von nicht zu wenig schlichten Grabsteinen, über aufwändige Monumente bis hin zu detailreich ausgearbeiteten Mausoleen.
So kann man auf den Friedhof, der mit einem Rundweg und darin eingelagerten gekreuzten Achsen klar gegliedert ist, erkunden und immer wieder etwas neues entdecken.
Die Kapellen waren/sind übrigens auf dem zentral gelegenen Hügel gebaut, so dass sie gewissermaßen die Skyline des Friedhofs dominieren. Die im Krieg nicht so stark beschädigte Dissenter's Chapel beherbergt übrigens seit 1915 auch das Krematorium des Friedhofs. Bei der Wiederherrichtung nach dem 2. Weltkrieg nahm man auch Modernisierungen am Krematorium vor.


Auffällig sind noch diese beiden Mausoleen. Das linke ist das von Henry Tate. Henry Tate (1819-1899) war Zuckermagnat. Bereits mit 35 Jahren hatte Tate sich eine Kette aus sechs eigenen Läden aufgebaut. Er kam im Laufe seines Lebens zu sehr viel Geld und investierte dies in Kunstwerke. 1889 schenkte er seine Kunstsammlung der britischen Regierung. Als Bedingung für diese Schenkung stellte er jedoch auf, dass die Kunstwerke in einer passenden Galerie der Öffentlichkeit präsentiert würden. Um dies zu realisieren steuerte er noch £ 80,000 bei. Dies sind heute übrigens rund £ 8,800,000 bzw. 12 Mio. €. Zuerst hieß diese Galerie The National Gallery of British Art, heute kennt man sie unter Tate Britain. Schon vor dieser Spende und auch danach noch zeichnete Tate sich durch große Spendenbereitschaft aus.
Das rechte ist für Henry Doulton (1820-1897) und seine Familie erbaut worden. Doulton war ein Keramikmagnat. Aus seinem Unternehmen stammen auch die Steine für das eigene Mausoleum.
Diese beiden auch denkmalgeschützten Mausoleen ragen durch ihre Terrakotta-Farbe heraus.

Ebenfalls eine Besonderheit ist nun in den folgenden vier Bildern dargestellt: Der griechische Teil des Friedhofs. Dieser wurde speziell für orthodoxe Griechen geweiht.


Ganz im Stil eines dorischen Tempels ist die St. Stephen's Chapel errichtet, deren Bau ca. 1873 wohl unter Leitung des Architekten John Oldrid Scott begonnen wurde. Auf Architrav steht eingraviert "σαλπισει σαλπιγξ και οι νεκροι εγερθήσονται" ("Die Fanfare wird erschallen und die Toten werden auferstehen.")


So genießen auch Mitglieder der griechischen Diaspora wie John Peter Ralli (links) und Xenophon Balli (rechts) heute noch ein sichtbares Andenken. Zumindest für die Ralli-Familie konnte ich noch einiges finden: Es handelt sich hierbei um eine reiche Händlerfamilie, die in mehreren Generationen Reichtum angehäuft hat und diesen aber auch einerseits für eine breitere medizinische Versorgung der Gesellschaft andererseits für Belange der griechischen Gemeinde in West Norwood ausgegeben hat. So haben auch die Söhne der Familie eigene Mausoleen. Hier links zu sehen ist ein von George Edmund Street gestaltetes Mausoleum. Von Street stammen übrigens auch die Gerichtshöfe in Zentral-London an der Strand.




Wie kommt man zum Friedhof?
Mit Bus: 2, 196, 315, 432, 468, X68, N2, N68
Mit Bahn: West Norwood Station (Southern Services von London Victoria nach London Bridge oder Sutton bzw. von London Bridge nach Beckenham Junction)

Dienstag, 7. Juli 2015

The Magnificent Seven: Tower Hamlets Cemetery



In London gibt es sieben Friedhöfe, die zwischen den Jahren 1832 und 1841 angelegt wurde und aufgrund ihrer Größe an Fläche und Grabmonumenten unter dem - inoffiziellen - Namen "The Magnificent Seven" zusammengefasst werden. Folgende Friedhöfe gehören dazu: Im Norden Highgate und Abney Park, im Westen Kensal Green und Brompton, im Süden West Norwood und Nunhead und im alten East End Tower Hamlets. Aufmerksam geworden bin ich auf diese Sehenswürdigkeiten abseits der typischen Touristenmagneten wie Tower, Tower Bridge, Westminster Palace und Buckingham Palace durch Zufall auf dem Weg zu einem Chelsea-Spiel im letzten August. Chelseas Stadion Stamford Bridge und der Brompton Cemetery sind nur durch Bahngleise getrennt.
Fertige Blog-Einträge gibt es bereits zum Brompton Cemetery und zum Kensal Green Cemetery.



Tower Hamlets ist der jüngste der Magnificent Seven und liegt im alten East End Londons. Er hat allerdings mit Abstand die meisten Beerdigungen von den Magnificent Seven (über 350.000).



Trotz der vielen beerdigten Menschen ist dieser Friedhof mit nur 11 Hektar flächenmäßig der kleinste der Magnificent Seven.





Der Friedhof in Tower Hamlets wurde 1841 eröffnet. Im Vergleich zu den bisher bereits behandelten Friedhöfen Brompton und Kensal Green, die vor allem durch ihre fein ausgearbeiteten Monumente und Mausoleen bestechen, ist dieser Friedhof bescheidener ausgestattet.





Dies zeigt sehr deutlich die frühere Sozialstruktur im Osten Londons. In Tower Hamlets finden wir einfache Grabstätten, die mehrfach belegt sind. Dokumentiert sind Gräber mit bis zu 30 Bestattungen übereinander.




Diese Praxis war besonders bei ärmeren Menschen, die sich keine eigene Grabstelle leisten konnten üblich.





Das Ende für Bestattungen auf diesem Friedhof kam 1966. Nach 125 Jahren als Friedhof kaufte das Greater London Council das Areal auf und begann mit der Neustrukturierung. Der Friedhof sollte nun zu einem Naherholungsort für die Region werden. So investierte man Geld um die Kapellen und einen Teil der Grabstellen zu beräumen.







Doch für die Beräumung gingen schnell sowohl Mittel als auch die öffentliche Zustimmung aus. 1986 übernahm der Bezirk Tower Hamlets das Areal, 2000 wurde es zu einem lokalen Naturschutzgebiet erklärt. 













Auf dem Friedhof sind 279 Soldaten aus Commonwealth-Staaten begraben, die in den Weltkriegen umgekommen sind. Gedacht wird ihrer mit einem Denkmal, an dem ihre Namen angebracht sind.










Wie man auf den Bildern sehen kann: Größere und detailreich ausgearbeitete Grabmonumente findet man hier selten.









Während der Friedhof früher inmitten eines dicht bebauten Gebietes lag, ist er heute mehr oder weniger Teil eines Grünzuges entlang des Regent's Canal, der aus Victoria Park im Norden, dem Millenium Park und dem Mile End Park im Süden besteht. Man kann also sehr gut dort viel Zeit verbringen und London aus einer anderen Perspektive und in einem anderen Sozialraum beobachten, als man es sonst tut. Also: Macht Euch doch einfach mal auf nach Mile End.



Wie kommt man zum Friedhof?
Mit Bus: 25, 205, 277, 323, 425, 741, D6, D7, N205
Mit Bahn: Mile End Underground Station (Central, Circle, District and Hammersmith & City Lines)
Mit Rad: Rund um den Friedhof sind auch einige Docking Stations des Santander Cycle Hire Scheme.